Montag, 5. September 2016

Über die Alpen




Ich habe es getan: Ich bin vom Tegernsee nach Italien gelaufen! 
Reiseführer gekauft, Etappen geplant, Hotelzimmer reserviert, einen viel zu kleinen Rucksack mit dem Nötigsten randvoll gepackt und los gelaufen.
Blauäugig und unbedacht, ohne Pullover oder warme Jacke. Einfach mal drauf los.

Gleich die erste Etappe hat mich über die Blauen Berge nach Österreich geführt. Es sollte die längste Tagestrecke meiner Wanderung werden mit den meisten Höhenmetern und zudem auch noch am heißesten Tag meiner Reise. Eine erstklassige Kombination gleich für den Start! Geschlagene 10 Stunden bin ich unterwegs bevor ich am Achensee an meiner Pension ankomme. Völlig durchgeschwitzt und am Ende durfte ich mir dort dann anhören, dass leider alle Zimmer belegt sind und meine Reservierung irgendwie untergegangen sein muss. 
Ich habe aber einen Ausdruck der Bestätigung per Email dabei, den Besitzern ist es sehr peinlich und so wird mal eben schnell das Massagezimmer leergeräumt, ein Bett für mich aufgebaut und mir ein sehr günstiges Angebot gemacht, das ich nicht abschlagen kann. Schon allein deswegen nicht, weil ich keinen Schritt weiter laufen kann.

Vorausschauend habe ich am 2.Tag eine erste Pause eingeplant und ich kann wieder Kräfte sammeln, während ich auf dem Balkon dem Regen zuschaue.


Die zweite Etappe am Achensee entlang und tags drauf die dritte Etappe weiter ins Zillertal verlaufen hingegen weitgehend entspannt. Nur als ich dann die Seilbahn ins Hochzillertal hinauf nehme und von dort oben ringsum nur noch Berge sehen kann, bekomme ich doch kurz weiche Knie: Was habe ich mir da nur vorgenommen? Egal. Weiter gehts.

Ich muss mir meine Kräfte einteilen, rechtzeitig Pause machen und auch ordentlich Essen.
Und immer wieder überrascht mich die Stille da oben in den Bergen: Manchmal muss ich stehen bleiben, um nichts zu hören, so gewaltig ist das. Und dann pfeift irgendwo plötzlich ein Murmeltier.

Im Hochzillertal, mitten im Skigebiet mache ich einen weiteren Tag Pause.
Ich bin in einem fast leeren 4-Sterne-Hotel. Angeblich soll es noch einen weiteren Gast geben, aber ich sehe und höre am ersten Tag niemanden außer mir. Dafür genieße ich Sauna und Pool für mich ganz alleine. Am 2.Tag sind dann zwei weitere Münchnerinnen im Hotel, die ebenfalls die Alpenüberquerung machen.



Die letzten 3 Etappen dann am Stück. Zuerstmal die 4.Etappe ans Ende des Zillertals, und dann weiter in der 5. Etappe über den Alpenhauptkamm ins Pfitschtal! Bisher war das Wetter optimal und ich bin kein einziges Mal nass geworden. Aber wie schon die erste Grenzüberquerung nach Österreich wird die Grenze nach Italien ein hartes Stück Arbeit. Es schüttet und ich bin nach zwei Stunden trotz Regenponcho schon durchnässt. Aber: Der Inhalt meines Rucksacks bleibt trocken! Ich habe mich mit zwei weiteren Wanderern zusammengeschlossen um diese Etappe bei diesem Wetter zu meistern. Ein Fluss kreuzt immer wieder den Weg, bzw. der Weg ist bei dem ganzen Regen zu einem Fluss geworden. Wir laufen weiter.



Der Regen wird zwar nicht weniger, aber es mischen sich immer mehr dicke Schneeflocken mit hinein, der Wind wird immer stärker und schließlich bläst es uns nur noch Flocken ins Gesicht. Wie sehr habe ich nun einen Pullover vermisst. Aber wir stapfen weiter die Serpentinen den Berg hoch. Der Wind bläst uns abwechselnd von vorn oder von der Seite den Schnee gegen den Körper. Eine gefühlte Ewigkeit dauert es, bis wir endlich das Joch passieren und uns im Rasthaus aufwärmen können.
Der Abstieg verläuft dann überraschend einfach: Kein Schnee, kein Regen und auch kein Wind mehr.
Unsere Zweckgemeinschaft trennt sich dann auch wieder.

Die letzte Etappe durchs Pfitschtal nach Sterzing ist dann wie ein Spaziergang. Ich mache sogar einen kleinen Abstecher auf einen weiteren Berg und freue mich dann, bei Sonnenschein am Ziel anzukommen.

Es war alles dabei: Hitze und Schnee, Einsamkeit und Gemeinschaft und viele tolle Aussichten!
Ich bin sehr stolz, dass ich das geschaffte habe. Insgesamt bin ich etwa 150km gelaufen, nur 3 mal Zug, Seilbahn und Bus zu Hilfe genommen, sogar weniger als es der Reiseführer empfohlen hat.
Und bei allem hat es mir erneut gezeigt, was ich schaffen kann, auch wenn ich ganz auf mich allein gestellt bin. Und dass da dann trotzdem zur rechten Zeit Leute auftauchen und man sich gegenseitig weiterhelfen kann.