Samstag, 17. Oktober 2015

Wie der Samstag erst melancholisch anfing und dann vor die Hunde ging


Samstag Morgen, ich wache erstaunlich früh auf. Ich habe von meinem Vater geträumt, der nun schon fast seit 15 Jahren tot ist. Den Inhalt des Traumes habe ich sofort vergessen, und alles was geblieben ist, war ein unglaublich trauriges Gefühl. Und so lag ich erstmal im kalten Zimmer, unter der Decke eingerollt. Die Nadelbäume auf den Gipfeln der umliegenden Berge sind schon weiß vom Schnee, während hier unten die Laubbäume noch in allen Farben leuchten. An einzelnen Stellen sammeln sich die Wolken um die Hügel, hier unten im Tal bricht plötzlich die Sonne durch. Irgendwie ist alles seltsam und unerträglich melancholisch.
Fast eine Stunde habe ich gebraucht, bis ich aufstehen und die Gasheizung anschalten konnte. Doch die Melancholie blieb noch zum Frühstück und wollte selbst dann nicht gehen. Kein Wunder, denn vor der Tür standen auf einmal auch schon wieder die Zeugen Jehovas. Dass ich einmal mit ihnen geredet habe um ihnen zu erklären, dass ich kein Interesse habe, hat nicht geholfen. Also lass ich sie draußen in der Kälte stehen. Sollen sie ruhig hören, wie ich hinter der Tür rumore, aber nicht aufmache. 

Gegen Mittag wars mir dann zu viel mit der Melancholie, die sich im warmen Zimmer immer noch wohler zu fühlen schien. Heizung aus, Laufsachen an. Einfach mal kurz weglaufen ist vielleicht doch eine Lösung. Also laufe ich, warm eingepackt. Und als ich gerade fühle, wie ich so einiges hinter mir lassen kann, steht vor mir eine Frau mit Hund an der Bushaltestelle. Die Frau sieht mich, der Hund sieht mich auch. Ich will vorbeilaufen, doch der Hund wirft plötzlich ohne Vorwarnung seine Zähne an mein Knie. Aua. Aua!
Die Frau, die mehrere Vogelnester im Haar zu haben scheint, regt sich plötzlich auf, was mir einfällt, hier einfach vorbei zu laufen. Ich gebe ihr zu verstehen, dass mein Knie weh tut. Sie dreht sich weg und steigt in den Bus. Ich bin sprachlos und krempel meine Hose hoch. Zahnabdrücke, 2 Tropfen Blut. Immerhin hat meine Hose nichts abbekommen. Als kein neues Blut mehr kommt, entscheide ich mich dazu, weiter zu laufen. Gerade deswegen.

Später, unter der Dusche, macht sich der Bluterguss bemerkbar. Ein bisschen geschwollen ist die Stelle. Am Montag muss ich eh zum Arzt für meine Zecken-Impfung. Erstmal will ich mir aber keine weiteren Gedanken darüber machen.

Ich muss eh noch zum Getränkemarkt. Vor mir ein junges Pärchen, das aus einem großen Müllsack viele kleine Falschen hervorzieht um überprüfen zu lassen, ob da jetzt Pfand drauf ist. War ja klar. Also warte ich. Aus dem Fenster sehe ich ins Café ein Haus weiter. Ich beschließe, im Anschluss da noch hin zu gehen und ein Stück Kuchen zu essen. Einfach so, weil ich das jetzt brauche.

Im Café ist Erdbeerkuchen im Angebot. Der sieht lecker aus und ich habe Lust auf Früchte. Ich sitze an meinem Tischchen, lehn mich zurück, nippe an meinem Kaffee und probiere den Kuchen. Tief durchatmen, es ist Wochenende, alles ist gut. Erdbeerkuchen und Kaffee.
Am Nachbartisch sitzen 3 alte Damen die mich böse anschauen. Dann drehen sie ihre Köpfe weg und unterhalten sich miteinander: Wie kann man nur zu dieser Jahreszeit Erdbeerkuchen essen! Ich esse Erdbeerkuchen immer im Frühling! Ja, das ist ja auch das einzig Vernünftige!
Soll ich etwas antworten? Z.B. dass da, wo der Kaffee herkommt, jetzt auch die Erdbeeren reif sind? Oder dass man die Erdbeeren genießen muss, wenn man sie bekommt, weil man ja nie weiß, ob man nochmal einen Frühling erlebt? Mein Knie tut weh und ich sage nichts.

Auf dem Rückweg sehe ich die Vogelnest Frau mit ihrem Hund. Die Leine hat sich um ihre Beine gewickelt, weil der Hund im Kreis springt.
 Aber ich fahre einfach nach Hause, um den Rest des Wochenendes genau dort zu verbringen.
Ohne Hunde. Ohne Frauen. Ohne Erdbeeren. Mit Kürbis. Und bei Bedarf auch mit melancholischer Musik.