Sonntag, 22. Juni 2008

Outtakes

Kennt ihr diese Momente, in denen sich aus heiterem Himmel irgend ein Klische bewahrheitet? Oder wenn die Ironie völlig unerwartet über euch hereinbricht? Da ist es eigentlich schade, dass es da kein "Best of" von gibt. Wobei: wozu hat man denn einen Blog? Also ein "Best-Of-Pizzalieferungen" der letzten Tage:

Das Unangenehmste am besten gleich zu Beginn:
Eine Doppellieferung, zuerst eine Familie, die nur ein paar Häuser von der Pizza-Zentrale entfernt wohnt und ein extrem vielseitiges Menü bestellt hat. Was mir bei der Lieferung nicht auffällt: Ich vergesse eine winzig kleine Portion Kräuterbutter in meiner Tasche. Aber weiter zum nächsten Kunden. 4.Stock, kein Fahrstuhl, Bestellung enthält mehrere Liter Getränke... Ganz wie man es an an einem heißen Tag liebt. Oben angekommen gibt es einen kleinen Lichtblick: es ist ein runder Betrag, genau 20 Euro! Juhuu! Ausnahmsweise mal kein Nachrechnen, kein Rückgeld zusammen suchen. Der Lichtblick erlischt sofort wieder: es handelt sich um 2 Kunden, die getrennt zahlen wollen. Während ich versuche, herauszufinden, wer denn nun was bestellt hat und angestrengt am rechnen bin, klingelt zu allem Überfluß auch noch ständig mein Handy. Was ich nicht weiß: die Pizza-Zentrale ruft an, um mir zu sagen, dass ich die Kräuterbutter für den letzten Kunden vergessen habe. Handy ignorieren, Besetztton senden, alles zwecklos: sie sind hartnäckig. Die Kundschaft ist höchst belustigt, ich absolut genervt und immer noch außer Atem vom Treppensteigen. Dann kommt es noch schlimmer: die beiden Kunden haben noch einen dritten Mitbewohner, der jetzt auch noch sehen will, was hier gerade passiert. Es handelt sich dabei um meinen Französisch-Lehrer. Und rein zufällig habe ich am Tag zuvor den Französisch-Kurs geschwänzt und sollte eigentlich auch noch eine Vokabelliste abgeben. Man kann aber leider nicht gleichzeitig im Boden versinken, Kopfrechnen und sein klingelndes Handy ignorieren. Aber man kann sich beeilen und so schnell wie möglich alles, was man noch in der Tasche hat den Kunden überreichen, "Aurevoir" sagen und gehen. So klärte sich dann erst vor der Tür, dass diese bescheuerte Kräuterbutter nun beim falschen Kunden gelandet ist. Also muss ich zurück ins Geschäft, um dann zu Fuß mit einer neuen Kräuterbutter zum ersten Kunden zurück zu sprinten. Wäre da dann ein bischen Freude zu viel verlangt gewesen? Aber nein: "Jetzt brauchen wirs auch nicht mehr!" und Türe wieder zugeknallt. Und dabei ist diese Kräuterbutter wirklich so lächerlich klein... es ist zum Heulen.

Weitaus prikelnder verspricht es jedoch zu werden, wenn es heißt: Lieferung in die Eros Villa! Ja, auch im Tübinger Freudenhaus wird Pizza gegessen. Und manchmal auch Kartoffelgratin. Bei meinem ersten Besuch in jenem Etablissement mit der fragwürdigen Innenbeleuchtung stand ich dann zudem noch vor der Schwierigkeit, dass ich in die Küche liefern sollte. In einem langen Gang mit zahlreichen Türen schmiegten sich also sogleich ein paar Frauen, die mich nicht sofort als Pizzalieferanten erkannten, an die Türrahmen und warfen mir vielsagende Blicke zu. Kurz geschluckt, nach dem Weg zur Küche gefragt und nichts wie in die Küche. Dort wartete dann schon der "Aufpasser" der Frauen: Großer, muskulöser Kerl in Lederweste, Stirnglatze und Pferdeschwanz. Während alles in mir schreit "ZUHÄLTER! ZUHÄLTER!" schaffe ich es trotzdem freundlich nach dem Ziel der Lieferung zu fragen. Während die Frauen die ich bisher zu sehen bekam, definitiv keine Deutschen waren, kommt nun aber die Babsi. Und zwar die nicht mehr ganz so junge aber dafür blondierte Lack und Leder Babsi, die sich ihr Kartoffelgratin holt. Der Bodyguard versucht sich in der Zwischenzeit an Konversation mit mir: Er hat mich auf seinem Überwachungsbildschirm mit meiner Tasche gesehen und sich gefragt, was für perverse Sachen ich da wohl drin hätte. Aber dabei hatte er voll vergessen, dass ja noch der Pizzajunge kommt, hahahaha. Brüller. Ich trete höflich und freundlich den Rückzug an.
Bei einer weiteren Lieferung durfte ich dann auch noch mal in ein Zimmer rein und die Pizzakartons auf dem Bett abstellen, während die Frau in Unterwäsche nach ihrem Geldbeutel gesucht hat. War irgendwie bizarr. Aber immerhin gehöre ich nun zu den wenigen Männern, die im Bordell waren und denen die Frauen Geld dafür gegeben haben.

Und schließlich noch ein dritter exklusiver Ort, den nur wenige Tübinger kennen dürften: die Dudelsackwerkstatt. Tübingen ist so klein, aber doch so groß und weltoffen. Wer weiß, von wo überall her, die Dudelsäcke kommen, die in einem Tübinger Hinterhof repariert werden. Und eigentlich könnte hier die Geschichte schon vorbei sein und wäre trotzdem ein spektakulärer Abschluß dieses Eintrags gewesen. Aber nein, ich kann wieder mal noch was oben drauf setzen: Wider erwarten arbeitet in der Dudelsackwerkstatt kein alter Schotte im passenden Rock, sondern ein recht junger, alternativ angehauchter Typ mit verfilzten Rastas und der dazu passenden Kleidung. Oben auf meiner Pizza-Tasche lag dann schon das Werbegeschenk von einer bekannten Marke für Hygieneprodukte, das wir diesen Monat - warum auch immer - an alle Männer verteilen sollen: Duschgel, Haargel, Aftershave und Deospray. Und für gewöhnlich freut man sich ja auch, wenn man was geschenkt bekommt. Nicht aber mein alternativer Rasta-Man. Ich muss ihm erst erklären, was da in dem kleinen blauen Säckchen alles drin ist und dann sagt er zu mir: "Das kannst du gleich wieder mitnehmen. Das brauch ich nicht." Für die Statistik: ich war ganz knapp davor laut loszulachen.