Freitag, 25. Juni 2010

Facts & Fiction zur Bundesversammlung

Der nächste Mittwoch wird seit Wochen der erste Tag ohne Fußball sein... aber dafür mit Bundesversammlung!
Da ich die ersten Stimmen bereits vom Ende Merkels haben jubilieren hören, muss ich dieser Euphorie doch mal noch einen Dämpfer verpassen.

Denn eigentlich reicht dazu schon ein Blick auf die Sitzverteilung in der Bundesversammlung:
CDU/CSU: 496
SPD: 333
FDP: 148
Grüne: 129
Linke: 124
Freie Wähler: 10
NPD: 3
Südschleswiger Wählerverband: 1

Insgesamt gibt es bei der Präsidentenwahl maximal 3 Wahlgänge. In den ersten 2 Wahlgängen benötigt ein Kandidat die absolute Mehrheit, im dritten würde eine relative Mehrheit reichen.

Eine absolute Mehrheit benötigt minimal 623 Stimmen. Schwarz-Gelb hat demnach also mit 644 Stimmen alle Karten in der Hand. Eine Ampel käme im Vergleich sogar nur auf 610 Stimmen, also wenn sich die FDP geschlossen Rot-Grün anschließen würde.

Die Rolle der FDP wird hier nun also erstmal überschätzt, denn im Grunde können sie "nur" die Wahl von Wulff in dn ersten 2 Wahlgängen verhindern, nicht die Wahl von Gauck herbeiführen.
Das Problem sind bei der FDP v.a. die Landesverbände, die sich übergangen fühlen. Denn der Bundesvorstand hatte ja vorab der CDU die freie Kandidatenwahl überlassen. Die Landesverbände der FDP machen nun aber zusammen gerade mal 55 Stimmen aus und haben nun doch recht unterschiedliche Standpunkte. Da fällt die CSU mit ihren 47 Stimmen fast noch mehr ins Gewicht. Und der Puffer von 21 Stimmen Vorsprung ist dabei auch nicht außer acht zu lassen.

Eventuell wird dieser Vorsprung auch noch ein wenig größer, je nachdem was z.B. die Freien Wähler machen. Ihre 10 Stimmen kommen allesamt aus Bayern. Möglicherweise könnten sie in den ersten beiden Wahlgängen schon das Zünglein sein.
Daher halte ich es für sehr wahrscheinlich, dass Wulff am Ende doch schon im 2.Wahlgang gewählt ist.

Denn bis zum 2.Wahlgang wollen die Linken an ihrer eigenen Kandidatin Lukrezia Jochimsen festhalten. Insidern ist sie vermutlich als Schalträgerin bekannt und außerdem könnte sie neben Merkel ganz neue Akzente für Politikerfrisuren setzen.



Gauck sei für Die Linke unwählbar und würde politisch mit keinem ihrer Punkte übereinstimmen. Erst vor dem 3.Wahlgang würden sie sich zu Beratungen zurückziehen wollen. Denn dann würden sie die Chance sehen, die Regierung Merkel zu stürzen und sich eventuell doch für Gauck entscheiden.

Andererseits: Wäre die FDP im 3.Wahlgang ebenfalls so bescheuert, sich selbst abzuwählen? Das könnte man sich höchstens so erklären, dass die Landesverbände die Regierung stürzen möchten, um selbst wieder aus dem Umfragetief zu kommen. Aber dennoch wäre das politischer Selbstmord.

Am Di werden aber erst noch Gauck und Wulff bei der Linkspartei vorsprechen. Aber ich glaube nicht, dass da was Konstruktives bei rüber kommt.

Und der Vollständigkeit halber: es gibt auch noch einen vierten Kandidaten der NPD, Frank Rennicke. Er hatte bereits im letzten Jahr Erfahrung als Präsidentschaftskandidat sammeln konnte und wusste sich der Unterstützung von damals 4 NPD Stimmen sicher. Dieses Wahlerfolg wird er wohl nicht mehr wiederholen können, sondern sich diesmal mit 3 Stimmen begnügen müssen.

Das Tragische an der ganzen Geschichte ist nun allerdings, dass der Ausgang der Präsidentenwahl eigentlich völlig egal sein könnte. Es stehen 2 Kandidaten zur wahl, die politisch einer schwarz-gelben Regierung näher stehen als linkeren Alternativen. Wobei selbst das keine Rolle spielen würde angesichts der geringen Kompetenzen des Bundespräsidenten.
Doch es ist, wiedermal, der deutsche Disziplinzwang der alles unglaublich kompliziert macht und die Regierung stürzen könnte. Denn natürlich hat die stärkste Fraktion und Regierungspartei den Anspruch, einen Kandidaten vorzuschlagen. Und es sollte jetzt auch nicht verwundern, dass man für ein politisches Spitzenamt einen Spitzenkandidaten aus den eigenen Reihen mit langjähriger politischer Erfahrung nimmt.

Ich persönlich würde nun ja auch eher denjenigen wählen, der schon mehr Erfahrung auf der politischen Bühne gesammelt, und v.a. den ewigen Parteien Hick-Hack schon etwas länger erfolgreich ausgehalten hat. Außerdem meine ich, dass man mit 70 besser in Ruhstand gehen sollte, als Staatsoberhaupt zu werden, auch wenn Adenauer erst mit 73 Kanzeler geworden ist und bis 87 regiert hat.